Wie die BK 350 entstand

Norbert Riedel, vor dem Zweiten Weltkrieg technischer Leiter des Nürnberger Ardie-Werkes, hatte mit Kriegsbeginn in Muggendorf, ca. 50 km nördlich von Nürnberg in der romantischen Fränkischen Schweiz, ein eigenes Motoren-Entwicklungsbüro gegründet. Von ihm stammte der in der Luftfahrt-Fachwelt als "Riedel-Anlasser" bekanntgewordene Anlaßmotor für Flugzeugtriebwerke, ein Ultra-Kurzhuber, luftgekühlter Zweitakt-Boxer mit Planetengetriebe, das für die notwendige Drehzahl-Reduktion und Drehmomentsteigerung an der Anlaßkupplung sorgte. Im Verlaufe des Krieges verlangte die Luftwaffe im Hinblick auf die ständig steigende Größe bzw. Leistung der eingesetzten Flugtriebwerke aber einen stärkeren Anlaßmotor und vergab entsprechende Entwicklungsaufträge an verschiedene Motorenhersteller. Die Fertigung des Riedel-Anlassers war bei Victoria/Nürnberg erfolgt - mit Rücksicht auf die luftgefährdete Lage der Stadt aber nicht in einem der Nürnberger Werke, sondern im Verlagerungsbetrieb Eggen-felden/Niederbayern (übrigens unter Betreuung durch Dietrich Dotterweich!)

Der Fertigungsauftrag für den größeren Anlaßmotor (wieder ein Zweitakt-Boxer), den diesmal weder Riedel (der nach dem Krieg die Imme und die Victoria Swing schuf) noch Victoria erhielten, ging nach Zschopau, zum Werk der DKW der Auto Union - bei Kriegsende

war die Teilefertigung gerade erst im Gange.

Aber Chefkonstrukteur Hermann Weber und sein Rennmotoren-Konstrukteur Kurt Bang hatten schon gelegentlich die Idee ventiliert, ob man sich nicht mal mit einem solchen Zweitaktboxer als Motorradmotor beschäftigen sollte. In Zschopau kam man damit aber nicht weiter, denn mit dem Einzug der Russen begann dort die Demontage des gesamten Werkes.

Aber als Konstrukteur Bang dann in das in Chemnitz von der Besatzungsmacht installierte "Sowjetische Konstruktionsbüro" dienstverpflichtet wurde (dem als deutscher Leiter Obering. Prüssing, der ehemalige DKW-Rennabteilungsleiter, vorstand), griff er dort die alte Idee wieder auf. Die russischen Kontrolloffiziere stimmten zu, und so entstand tatsächlich ein 250 ccm Motorrad mit im Rahmen quergesetztem luftgekühltem Zweitaktboxer, der über Trockenkupplung und Vierganggetriebe mittels Kardanwelle das Hinterrad antrieb. In dem Konstruktionsbüro angegliederten ehemaligen Motorenwerk von Bark in Oberkunewalde (bei Zittau) wurde dann (mindestens) ein Prototyp gebaut und von dem ebenfalls bei den Sowjets tätigen Zschopauer DKW-Meister der Versuchs-abteilung Hans Sprung eine Zeitlang im Straßenversuch zwischen Oberkunewalde und Chemnitz (das damals schon Karl-Marx-Stadt hieß) gefahren - bis mit Ende der vierziger Jahre das sowjetische Konstruktionsbüro aufgelöst und alle Versuchsmaschinen in die SU

abtransportiert wurden, auch die 250er Kardanmaschine. Das Personal wurde ins DKW-Werk (das jetzt zur "volkseigenen" IFA gehörte und bereits wieder mit der Fertigung der modifizierten RT 125 begonnen hatte) entlassen. Anfang der fünfziger Jahre stand dann die Frage zur Debatte, was denn im Zschopauer zur Ver-breiterung der Modellpalette geschehen könne. Eine 250er, das war klar, und ein Zweitakter ebenso fraglos. Ein Twin war naheliegend, aber (welche Probleme!) da hätte man ja wieder neue Mengen von Ketten, für Primär- und Sekundärantrieb, benötigt, und Ketten waren eines der Produkte, für die es zunächst im sowjetischen Osten Deutschlands keine Produktion gab. Und Import aus dem Westen verhinderte das bestehende Embargo.

Da kam dann erneut die Idee der Boxerversion aufs Tapet - und die Entscheidung des Ministeriums erfolgte prompt: Entwicklung eines solchen Modells zu alsbaldigem Fertigungsbeginn in Zschopau, in Anlehnung an das bereits unter Bang/Prüssing gebaute Vorläufer-modell.

Als sich das Zschopauer Konstruktionsbüro flugs an die Arbeit machte, sickerte das Gerücht durch, das die Russen in ihrem Zweiradbetrieb Simson/Suhl eine 250er Viertaktmaschine (die spätere AWO in Anlehnung an die Einzylinder-BMW) entwickeln ließen. Nun gleich zwei 250er? Da lag es nahe, auf 350 ccm auszu-weichen. Für die Beteiligten überraschend schnell kam die Zu-stimmung zur Umstellung auf 350 ccm.

Und so entstand 1951 im Motorradwerk Zschopau, damals noch unter der Marke IFA, die BK 350.

Quelle:

"Entstehung der BK 350" von Dipl.Ing.Siegfried Rauch

Gummikuh 4/92 S.9